von Adelheid Ohlig
Ein außergewöhnlich gewöhnliches Yogabuch:
Außergewöhnlich, da es schlicht daherkommt und dadurch uns gewohnter wird ohne uns mit schreienden Farben zu blenden;
Außergewöhnlich, da es der Autorin gelingt, alte Yoga Prinzipien in unsere gewohnte Sprache zu transportieren;
Außergewöhnlich vom Ansatz her, der aus unserem gewöhnlichen Alltag kommt;
Außergewöhnlich vom Stil her, da Alexandra Eichenauer-Knoll in gewohnter Sprache schreibt - ohne Anglizismen.
Ein wunderbar freundliches Buch: Die Autorin spricht ihr Lesepublikum als gleichwertiges Gegenüber an. Aus ihren Sätzen spricht langjährige Erfahrung mit Yoga, Meditation, Bewusstseins- und
sozialer Arbeit. Sie nimmt die Yamas und Niyamas, die ersten Abschnitte des achtgliedrigen Yogapfads als ethische Richtlinien für soziale Begegnungen und als Schritte zu mehr Selbsterkenntnis.
Sie folgert: «Wenn ich beispielsweise auf der Matte möglichst ohne Druck übe, also ohne Ehrgeiz und Anspannung, sondern stattdessen mit Hingabe und Wohlwollen, dann kann dieser achtsame Umgang
mit Druck, der ja auch eine Form von Gewalt ist, auch meine sozialen Beziehungsmuster verändern.» Sie flicht Beispiele aus unserem derzeitigen Alltag ein und beschreibt ehrlich, wie sie die
Grundprinzipien des Yoga Tag für Tag im Kleinen umsetzt.
Eichenauer-Knoll spannt den Bogen von der Psychologie zur Soziologie, von der Verantwortung Einzelner zum politischen und sozialen Tun. Sie verbindet die Philosophie Immanuel Kants mit der
Yogaphilosophie, das Engagement des österreichischen Mediziners Victor Adler und dessen Anliegen Leid, besonders das der Ärmsten, zu lindern mit den moralischen Grundwerten des Yoga.
Die Autorin zitiert, was andere Wissenschaften zu Ethik und Moral zu sagen haben, dies macht das Buch zeitnah, Wissen vermittelnd ohne zu belehren.
Alexandra Eichenauer-Knoll schaut mit diesem Buch nach vorn, bringt machbare, nachvollziehbare Vorschläge. Ein Yama der Verantwortung, so schreibt sie, ist zukunftsorientiert, «im besten Fall
visionär». Es wird nicht nach Schuldigen gesucht, sondern nach Lösungen. Wenn Moral Trennendes aufzeigt statt des Gemeinsamen, ist sie noch nicht tief genug gegründet.
Die Yogalehrerin schenkt uns ihr Wort für Meditation: Stilleübung, weil Meditation mittlerweile inflationär verwendet werde. «In der Stille zu üben ist heilsam».
Warum also Yoga? «Körperhaltungen erzeugen Gefühle, und Gefühle entwickeln sich zu Lebenseinstellungen.» Sie rät zu Behutsamkeit und vertrauensbildenden Massnahmen. «Behutsame Menschen sind
vorsichtig, rücksichtsvoll, achtsam, möglicherweise auch zärtlich.» Ja diese Qualität ist dem Buch zu eigen: es nimmt verständnisvoll an die Hand und zeigt Möglichkeiten guten Lebens auf: frei,
freundlich, friedlich. Da finden auch Verzeihen und Vergeben ihren Platz. Und «aus der Reibung dieser (der alten Sanskrittexte) und meinem Ansinnen, Moral mit einem bestimmten Anspruch zu
formulieren, entsteht Neues» merkt die Autorin an. Es ist ihr gelungen!
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